Change-Projekt SAP HANA – Kulturwechsel statt Systemwechsel

Was als reines IT-Projekt beginnt, wälzt im Verlauf oftmals das ganze Unternehmen um. Die Plattform SAP HANA einzuführen bringt für Unternehmen tiefgreifende Veränderungen mit sich, die nur mit einem frühzeitigen und konsequenten Change-Management bewältigt werden können. Aus ihrer Projekterfahrung berichtet Natalie Hauser, Consultant bei mgm consulting partners, am 12. September auf der solutions.hamburg über die Erfolgsfaktoren einer solchen Einführung. Im Gespräch mit der Redaktion gibt sie erste Einblicke.

Redaktion: Kannst Du Dich und Deinen Tätigkeitsschwerpunkt bitte kurz vorstellen?

Natalie Hauser: Mein Name ist Nathalie Hauser. Ich arbeite jetzt seit gut zweieinhalb Jahren bei mgm consulting partners. Natürlich ist man am Anfang in vielen verschiedenen Projekten unterwegs. Mittlerweile ist mein Schwerpunkt Projektmanagement, Change-Management und Kommunikation. Dabei beschäftige ich mich am liebsten und meisten mit Change-Management.

Redaktion: Du bist überwiegend in Change-Projekten im Rahmen einer SAP-HANA-Einführung tätig. Was bedeutet dieser Schritt für ein Unternehmen?

Natalie Hauser: Die Umstellung auf ein neues SAP System bedeutet oft eine große Veränderung für das Unternehmen. Natürlich hängen die Auswirkungen von der Art des eingeführten Systems und den im Unternehmen betroffenen Bereichen ab. Grundsätzlich kann man aber sagen, dass solche Umstellungen oft auch die Prozesse des Unternehmens ganz wesentlich beeinflussen. Vielfach werden diese Projekte als reine IT-Projekte betrachtet, aber im Wesentlichen kommen sie aus dem Business heraus, z. B. weil eine neue Strategie verfolgt wird und Geschäftsprozesse neu gestaltet werden.

Die Umstellung betrifft demnach nicht nur den IT-Kontext, es sind keine rein technischen Projekte, sie beeinflussen im Gegenteil umfassend die Arbeitsweise der Mitarbeiter. Die gesamte Unternehmenskultur entwickelt sich weiter.

Redaktion: Welche Vorteile hat ein Unternehmen dadurch, dass es ein System wie HANA einsetzt? Gibt es auch Nachteile?

Natalie Hauser: HANA ist ja kein wirkliches System, sondern die neueste Technologie von SAP. Es handelt sich um eine In-Memory-Plattform. Die zugrundeliegenden Systeme greifen nicht mehr auf einen Festplattenspeicher zurück, sie nutzen stattdessen den Arbeitsspeicher des Computers zur Datenspeicherung. Was sich zunächst nur nach einer marginalen Änderung anhört, ermöglicht aber die Auswertung erheblich größerer Datenmengen mit schnelleren Prozessen und einer höheren Performance. Damit werden Echtzeitanalysen von großen Datensätzen möglich, was dem Unternehmen viele Vorteile und neue Einsatzmöglichkeiten bietet.

Ein Nachteil ist, dass die Umstellung vielfach einen großen Aufwand mit sich bringt – ein Projekt, was meist das gesamte Unternehmen betrifft. Häufig kommt es auch nach dem Go-Live noch zu gewissen Schwierigkeiten. Hierzu unterstützen wir in der sogenannten Hypercare-Phase.

Redaktion: SAP HANA bedeutet ja nicht nur die Einführung einer neuen IT. Welche Bereiche eines Unternehmens sind davon besonders betroffen?

Natalie Hauser: Das lässt sich pauschal nicht sagen, es ist abhängig von der HANA-Version, die eingeführt wird und den Prozessen, die darüber abgewickelt werden sollen. Bei S/4 HANA beispielsweise – wie es in den meisten meiner Projekte der Fall war – handelt es sich um ein ERP-System, was die gesamte Ressourcenplanung eines Unternehmens umfasst. Damit sind dann nahezu 90 % aller Unternehmensbereiche von der Umstellung betroffen, kaum jemand bleibt außen vor.

Die Veränderungen in den einzelnen Bereichen hängen vor allem von zwei Parametern ab. Zum einen, wie sich das Unternehmen zukünftig ausrichten möchte und wie die neuen Prozesse gestaltet werden. Zum anderen aber auch, wie der Bereich zuvor IT-systemseitig aufgestellt war und wie groß dementsprechend der Sprung ist. Von einer anderen SAP-Version ist der Schritt natürlich nicht so groß wie von einem ganz anderen ERP-System. Die Sprache und die Grundkenntnisse sind bereits vorhanden. Bei einer Neueinführung steckt schon ziemlich viel Arbeit dahinter, gerade auch in der Schulung der Anwender.

Redaktion: Was muss ein Unternehmen bedenken, bevor es sich zu einem solchen Schritt entschließt? Wo liegen die größten Fallstricke?

Natalie Hauser: Bevor ein Unternehmen sich zur Einführung einer Plattform wie HANA – mit den zugrundeliegenden Systemen – entschließt, sollte es sich im Vorfeld bewusst machen, welche Unternehmensbereiche tatsächlich betroffen sind und welche Ziele verfolgt werden. Es ist kein reines IT-Projekt. Wen möchte man mit ins Boot holen? Angefangen beim Betriebsrat, den Abteilungsleitern der betroffenen Bereiche, bis hin zur klugen Zusammenstellung der Projektteams. So ein Projekt kann schnell mehrere Jahre dauern. Da ist es wichtig, sich Gedanken zu machen, welche Personen im Projektteam eine zentrale Rolle spielen, damit am Ende alles bedacht ist.

Es ist wichtig, das Changemanagement gleich zu Beginn des Implementierungsprojektes aufzusetzen.

Natürlich spielt auch das Changemanagement eine entscheidende Rolle. Es ist wichtig, die Mitarbeiter frühzeitig abzuholen. Optimal ist es, das Changemanagement gleich zu Beginn des Implementierungsprojektes aufzusetzen. Wir legen in unseren Projekten Wert darauf, die Teams im Prozess zu begleiten, sie bei der Teamarbeit zu unterstützen. Wir wollen von Beginn an die Aufmerksamkeit auf die Umstellung lenken und neben dem Projektteam auch die betroffenen Mitarbeiter mitnehmen. Beim Go-Live– also vielleicht zwei Jahre nach Projektstart – darf wirklich niemand mehr fragen: „Oh, es gibt jetzt ein neues System?!“ Alles muss bekannt sein. Die frühzeitige und umfassende Information ist die entscheidende Grundlage.

So kann man sich auf die Veränderung im Konkreten konzentrieren. Mit verschiedenen Trainings – auch im Managementbereich – die den Führungskräften helfen, ihre Mitarbeiter mitzunehmen. Man benötigt einen großen Vorlauf für die Veränderung, die dann nach ein paar Jahren ansteht.

Redaktion: Was bedeutet die Einführung von SAP HANA für die Mitarbeiter eines Unternehmens?

Natalie Hauser: Die Mitarbeiter müssen sich oft von lieb gewonnenen Gewohnheiten verabschieden. Oft sind es Kleinigkeiten wie Produktnummern, die jeder seit langem auswendig weiß. Man kennt die Klickwege im Schlaf, dies ist immer unten links, das unten rechts. Oft sind es auch die Arbeitsbeziehungen. Lange Jahre hatte ich den einen Kollegen vor mir und den anderen hinter mir im Prozess. Jetzt werden viele Prozesse neu etabliert und damit kommen neue Arbeitsbeziehungen zustande. Wir kennen das von uns selbst, man löst sich ungern von solchen Gewohnheiten. Das sind Dinge, die im Vordergrund geschehen.

Im Hintergrund kommt es drauf an, inwieweit das neue System und die Unternehmensstrategie zusammenfließen. Durch neu gestaltete Prozesse müssen einige Mitarbeiter auch ihren Aufgaben- und Verantwortungsbereich erweitern oder verändern. Sie müssen über den bisherigen Tellerrand hinausschauen, sich ggf. weiterbilden. Solche Veränderungen gehen tief und benötigen eine intensivere Begleitung.

Redaktion: Mit der Einführung allein ist es ja meist nicht getan. Gibt es im Nachgang Aufgaben für das Change-Management, die wesentlich für den Erfolg sind?

Natalie Hauser: Für uns ist es wichtig, dass das Change-Management von Beginn an, also mit dem Projektstart, dabei ist. Es macht keinen Sinn, 3 Monate vor Go-Live plötzlich ein Change-Management zu starten oder gar erst, wenn die Einführung schon passiert ist.

Im Nachhinein gilt es, die Mitarbeiter weiter zu unterstützen. Sie darauf einzustellen, dass es normal ist, wenn nicht alle Systeme sofort wieder voll zur Verfügung stehen. Oft hat man die Erwartung: „Wenn ich so viele Jahre die Umstellung vorbereitet habe, dann muss gleich auch alles zu 100 % klappen!“ Das ist eine Illusion, dafür ist die Komplexität in großen Unternehmen einfach zu groß.

Zunächst funktionieren vielleicht nur 70 % und Workarounds werden eingerichtet. Hier müssen die Mitarbeiter eng begleitet und abgeholt werden. Sie sollten wissen, dass es Tag für Tag besser wird und nach einer gewissen Zeit die Umstellung dann auch ganz geschafft ist. Mit dieser Mentalität muss man so ein Vorhaben verankern.

Redaktion: Vor welchen besonderen Herausforderungen steht Ihr besonders häufig in Change-Projekten im Kontext von IT-Migrationen?

Natalie Hauser: Die größte Gefahr liegt wohl darin, das Ausmaß des Projektes zu unterschätzen. Häufig ist die Einstellung: „Das ist so ein System, ein IT-Projekt, da werden sich wohl ein paar Oberflächen verändern, da müssen wir die Mitarbeiter dann drauf schulen.“ Das ist aber viel zu kurz gesprungen.

Es ist nicht nur ein IT-Projekt. Die Veränderungen gehen definitiv viel tiefer.

Die Mitarbeiter müssen mit einem neuen System klar kommen, welches ihre gesamte Arbeitsweise, ihre Prozesse, ihr Miteinander und ihre Zusammenarbeit verändert. Es ist ein Projekt, was von der Business-Seite getrieben wird, nicht von der IT. Man sollte immer wieder betonen, dass es nicht nur um ein IT-Projekt geht. Dass es nicht nur um irgendwelche neuen Klickwege geht. Die Veränderungen gehen definitiv viel tiefer und sind umfassender. Bis diese Erkenntnis wirklich auf allen Ebenen angekommen und verinnerlicht worden ist, das dauert seine Zeit.

Redaktion: Du wirst auf der Solutions einen Vortrag halten. Was wird die Kernaussage, die Message für die Besucher sein?

Natalie Hauser: Man sollte von Beginn an darauf achten, welche Bereiche tatsächlich betroffen sind und welche Prozesse sich wie stark ändern. Aber vor allem darauf, was dies für Auswirkungen auf die Arbeitsweise der Mitarbeiter hat. Man muss die Umstellung auf verschiedenen Ebenen betrachten um wirklich zu verstehen, was sich – neben dem Offensichtlichen – zusätzlich alles ändern wird. Und auf all diese Veränderungen muss man frühzeitig, Stück für Stück, mit gewissen Stupsern, Interventionen, hinarbeiten. Nur so sind am Tag der Umstellung die Organisation und alle Mitarbeiter bestmöglich vorbereitet und die Reibungsverluste durch die Umstellung werden minimiert.

Redaktion: Welche Erwartungen hast Du selbst als Gast an die Solutions?

Natalie Hauser: Ich freue mich auf die Vorträge und auf die anderen Sprecher, sowohl auf meine Kollegen als auch auf die vielen Kunden von uns. Ich bin gespannt auf die verschiedensten Besucher und Vortragenden und die Herausforderungen auf ihrer Seite. Da ich zum ersten Mal die Solutions besuche, bin ich aber auch gespannt, was meine Kollegen da so auf die Beine gestellt haben, nachdem ich die ganzen Vorbereitungen am Rande mitbekommen habe!

Redaktion: Herzlichen Dank für das Interview!